Verschiedenfarbige Stoffmuster.

Farbe bekennen

Holunderrot, Maronenbraun, Salbeigrün – Farben können aufheiternd, beruhigend oder auch belebend auf uns wirken. Aber auch auf die Umwelt können sich Farbstoffe auswirken, deshalb gibt es viele gute Gründe, bei der Farbwahl ganz genau hinzuschauen.

Nach welchen Kriterien bei Wildling Entscheidungen für oder auch gegen bestimmte Farben getroffen werden, erklärt Cosima, die sich im Wildling Produktteam um die Materialentwicklung kümmert, im Interview.

Cosima, kannst du etwas darüber erzählen, wie so ein Farbfindungsprozess bei Wildling aussieht?

Alles fängt mit dem Design Walk bei uns im Produktteam an. Um uns für die Farbgebung eines Modells zu entscheiden, stellen wir uns erstmal ein paar wichtige Fragen: Um was für einen Schuh geht es gerade? Was soll er können – ist er eher für Erwachsene oder für Kinder gedacht?

So ein Design Walk ist wie ein Kick-off oder eben ein Auftakt-Treffen zu verstehen. Im Anschluss daran gibt es Anpassungen, man spricht über Elemente, die vielleicht doch nicht mehr ins Gesamtkonzept für die Saison passen und bügelt das Ganze nochmal glatt. Dieser Prozess erstreckt sich über etwa drei Wochen.

Das klingt, als müsstet ihr dabei ziemlich viel gleichzeitig beachten. Wo fängt man da am besten an?

Als erstes wird die Farbauswahl getroffen. Dabei ist es für uns vor allem wichtig, ein stimmiges Gesamtkonzept zu haben. Für Bekleidung gibt es natürlich auch Trendfarben, an die halten wir uns aber nur sehr bedingt. Ich würde im Wildling Farbspektrum eher von Sommer- und Winterfarben sprechen. Und welche es dann letzten Endes für die jeweilige Saison werden, trichtern wir auch sehr stark.

Welche Faktoren fließen in die Farbentscheidungen ein?

Vor allem denken wir darüber nach, was nachhaltig ist und was die Community möchte. Das führt dazu, dass wir am Ende eher wenige Modelle und eine sehr sorgfältige Farbauswahl haben. Also zum Vergleich: In der konventionellen Bekleidungsindustrie hätte man für eine Saison viele verschiedene Farbthemen, wie beispielsweise: ein kühles Thema, ein warmes Thema und so weiter. Weil das natürlich sehr ressourcenfressend ist, machen wir das nicht. Stattdessen setzen wir auf eine überwiegend zeitlose Kollektion mit ein paar Akzenten hier und da.

Der nächste Schritt ist dann, zu schauen, welches Material zu der jeweiligen Farbe passt – denn nicht jede Farbe sieht auf jedem Material gleich gut aus. Stell dir vor, du hast einen Pulli in Dunkelblau und eine Bluse in demselben Farbton – die beiden Kleidungsstücke werden trotzdem nicht ganz genau gleichfarbig aussehen, weil die Haptik so unterschiedlich ist. Und dann muss man die Farbe dazu bringen, auf dem Stoff auch zu halten. Das ist also auch technologieabhängig. Wenn wir die Möglichkeit haben, biologisch abbaubare Farben einzusetzen und zu schauen, ob das mit unseren Wildlingen funktioniert, machen wir das.

Four graphics showing beetroot and almonds.

Mandeln und Rote Bete; Grafik: Johanna Balzer | Wildling Shoes

 

Zum Beispiel mit den Earthcolors by Archroma?

Genau. Archroma, die ihren Stammsitz in Pratteln in der Schweiz haben, stellen Färbemittel aus Nebenprodukten der Lebensmittel- und Pflanzenindustrie her, also beispielsweise aus Nussschalen oder Rote Beete. Diese Farben werden von Archroma nur an autorisierte Färbereien verkauft, wo dann auch Stoffe für Wildling Minimalschuhe gefärbt werden. Für die Frühjahr/Sommer-Saison 2023 haben wir zwei Farben aus dem Earthcolors-Spektrum von Archroma verwendet: „Clay Medium“ und Oak Medium“ (Taupe). Oak“ wird mithilfe von Mandelschalen hergestellt. Die Basis für die Farbe Clay“ sind Rote Bete. Die Rüben werden industriell zur Zuckergewinnung genutzt. Die Rückstände werden von Archroma als Rohstoff für die Farbherstellung verwertet.

Die Farben kann man prima auf Pflanzenfasern einsetzen – beispielsweise Baumwolle, Leinen oder Hanf. Je nachdem, welches dieser Materialien genutzt wird, fällt die Farbe ein bisschen anders aus.

In a nutshell: Wie Archroma die Earthcolors herstellt

Archroma ist es gelungen, in ihren Farbstoffen den Erdölanteil, der in handelsüblichen Farbstoffen 70 bis 100% beträgt, fast vollständig durch pflanzliche Abfälle zu ersetzen. In eigenen Produktionsstätten in der Nähe von Barcelona verarbeitet Archroma diese Materialien zu einem Pulver, aus dem durch Druck und Erhitzung der Farbstoff entsteht. Die Pflanzenabfälle werden dabei komplett verwertet. Dieses besondere Verfahren hat Archroma selbst entwickelt und patentieren lassen.

Beim Färben der Textilien sorgt dann ein Oxidationsprozess dafür, dass die Farbe sich wie gewünscht entwickelt und sich dauerhaft mit den Fasern verbindet.

 

Wie findet ihr heraus, wie die Farbe auf dem Schuh tatsächlich aussieht?

Jedes neue Wildling Modell wird getestet. Im Labor wird nicht nur erprobt, wie die Farbe auf dem jeweiligen Material dann wirkt, sondern auch, wie haltbar die Farbe auf dem Stoff ist. Schweiß, Regen, Sonnenlicht – das sind alles Faktoren für potenzielles Ausbleichen, die im Labor auf extremster Stufe simuliert werden. Beispielsweise wird ein Schuh Tag und Nacht hell angestrahlt, um zu analysieren, wie schnell und wie stark seine Farbe ausbleichen kann. Die Ergebnisse erhalten wir dann auf Teststreifen, sodass wir selbst abschließend bewerten können, ob wir die Farbe auf dem Material einsetzen. Wenn wir uns ganz sicher sind, machen wir den Schuh. Und wenn er gut bei der Community ankommt, stehen die Chancen gut, dass es in der nächsten Saison einen Nachfolger in der gleichen oder einer ähnlichen Farbe gibt, denn wir wollen ja das produzieren, was unsere Kundschaft glücklich macht.

Titelbild: Wildling Shoes