Detailaufnahme von zwei Sprossen einer dunklen Holzleiter; auf der unteren Sprosse steht ein Wildling Schuhkarton.

Warum Slow Fashion und Sale kein Widerspruch sind

Achtsamkeit ist ein wichtiges Stichwort, wenn es um Slow Fashion geht. Was viele gar nicht damit verbinden können, sind Zahlen. Kalkulationstabellen und rauchende Köpfe – na gut, vielleicht ist es nicht ganz so dramatisch, aber mit Rechnen hat das Ganze dann doch mehr zu tun, als man zunächst meinen mag. Und das hat einen einfachen Grund.

In der Bekleidungsbranche ist es üblich, in sehr großen Mengen zu produzieren, Sales fest einzuplanen und die reduzierten Preise von vornherein einzukalkulieren. Einige Firmen gehen so weit, dass sie die nicht verkauften Reste einer Kollektion verbrennen. Aus unserer Sicht ist dieses Vorgehen das genaue Gegenteil von regenerativem Wirtschaften.

Andererseits können wir es uns genauso wenig leisten, unsere Produktion schlecht auszuschöpfen. Denn wir sind bereits in Vorkasse gegangen, haben unsere Lieferant:innen und Fabrikant:innen bezahlt und haben laufende Kosten für Personal und Lagerhaltung – sprich: jeder Wildling Minimalschuh, der ungenutzt im Lager steht, kostet Geld.

Wildling will nicht auf Masse produzieren, solange die Gefahr besteht, dass diese Masse hinterher in den Regalen liegen bleibt – uns geht es darum, ressourcenschonend zu arbeiten und respektvoll mit dem umzugehen, was die Lieferant:innen produzieren. Daher möchte Wildling vermeiden, dass überproduzierte Wildlinge durch ihre Einlagerung Ressourcen verschwenden.

Das Ziel ist, ein Gleichgewicht herzustellen, zwischen einer vorsichtigen, ressourcenschonenden Planung und dem Wunsch, möglichst allen Kund:innen ihre Bestellwünsche erfüllen zu können.

Foto: Wildling Shoes | Stefano Chiolo

 

Aber wie kann möglichst ressourcenschonend geplant werden?

Die Stückzahlen planen: Zunächst schätzt das Team die Gesamtmenge der zu produzierenden Wildlinge. Als Richtwert hierfür werden die Verkaufszahlen des aktuellen und des vergangenen Jahres herangezogen und für das folgende Jahr eine Prognose erstellt. Daraus leitet sich dann ab, wie viel von welchem Modell produziert werden soll – hier fließen auch Feedback und Wünsche der Wildling Community ein, die im Team gesammelt werden.

Die Größenverteilung festlegen: Ist erst einmal festgelegt, wie viele Exemplare der Gesamtmenge für die Saison auf die jeweiligen Modelle kommen, geht es an die Größenverteilung. Nicht alle Größen sind gleich stark gefragt. Um hier einen Richtwert zu erhalten, orientiert sich das Team an früheren Verkaufsdaten: Es wird analysiert, wie oft sich ähnliche Modelle in welchen Größen verkauft haben. 

Die Materialmengen bestellen: Nach all diesen Auswertungen, Bewertungen und Prognosen steht die Produktionsmenge. Entsprechend muss natürlich auch die Materialmenge festgelegt und bestellt werden – und zwar ziemlich früh, häufig sogar mit einem Jahr Vorlauf. Mit der Materialmenge wird endgültig festgelegt, wie viele Wildlinge eines Typs maximal produziert werden können.

Etwa die Hälfte der anvisierten Menge wird pünktlich zum Verkaufsstart produziert. Nach dem Launch wird dann überprüft, ob das Team mit seiner Planung richtig lag: Wie verkaufen sich die jeweiligen Modelle tatsächlich?

Wenn sich herausstellt, dass ein Modell weniger gefragt ist als erwartet, wird seine Produktion so schnell wie möglich runtergefahren. Zeichnet sich ab, dass bestimmte Modelle und Größen besonders beliebt sind, wird die Produktion nach oben angepasst – das geht aber immer nur, solange auch Material vorhanden ist und unsere Produktionspartner:innen in Portugal Kapazitäten haben. 

Warum gibt es trotz dieser genauen Planung ab und zu einen Sale?

Durch den benötigten zeitlichen Vorlauf und die Tatsache, dass Wachstumsprognosen am Ende eben auch nur Prognosen sind (die Sache mit der Kristallkugel), gibt es eine gewisse Fehlergefahr. Zudem lässt sich über Geschmack streiten – und so kann es passieren, dass sich vom Team als Mauerblümchen eingeschätzte Wildlinge als absolute Lieblinge herausstellen. Oder aber, dass Teamfavoriten es in der großen weiten Welt schwerer haben als gedacht.

Obwohl die Produktionsmenge so umsichtig wie möglich geplant und auf neue Entwicklungen möglichst spontan reagiert wird, ist eine ganz exakte Planung bis in die einzelnen Größen nie möglich.

Anders gesagt: So sehr wir das vermeiden wollen – es bleiben Schuhe übrig. Was aber wichtig ist: Kein Wildling wird weggeworfen! Alle Schuhe dürfen bleiben und sind in der nächsten Saison erneut im Onlineshop erhältlich. Gleiches gilt für alle Wildlinge, die nicht den optischen Erwartungen entsprechen. Für diese wird regelmäßig ein Sale für die Liebe auf den 2. Blick (B-Ware) veranstaltet. Schuhe, bei denen in der Produktion wirklich etwas schiefgelaufen ist, werden im Team verteilt oder finden auf anderen Wegen ein liebevolles Zuhause.

Doppelt schön an dieser ganzen Sale-Sache finden wir, dass auch diejenigen, die immer mal mit einem Paar geliebäugelt haben, aber skeptisch waren, überzeugt werden können. Oder diejenigen glücklich gemacht werden, deren Budget für die normalen Preise nicht reicht. Und natürlich für alle, die sich über ein weiteres Paar Wildlinge freuen.

Titelbild: @harmonychildhood