Nachhaltige Lieferkette bei Wildling - von der Faser bis zum Schuh und darüber hinaus

Nachhaltige Lieferkette bei Wildling - von der Faser bis zum Schuh und darüber hinaus

“Nachhaltig arbeiten und produzieren” - das klingt einfach. Als ständig wachsendes, produzierendes Unternehmen stehen wir aber immer wieder vor der Frage: Was bedeutet es für uns konkret, wenn wir da konsequent sein wollen? Eine Produktion in Portugal statt in Asien und nachhaltige Materialien sind für uns ein wichtiger Ansatzpunkt, aber wenn man sich mit Nachhaltigkeit über die Lieferkette beschäftigt auch nur ein Anfang.

Uns reicht es nicht, dass die Lieferanten der Stoffe nachhaltig arbeiten und das durch Zertifikate nachweisen. Wir wollen weiter bis zu den Rohstoffen und deren Herstellung. “Nachhaltig” meint für uns mehr als “nachhaltige Materialien” und wir wollen genau auf die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Betrieben schauen und wirtschaftliche Aspekte einschließen. Was verbirgt sich hinter diesem aktuell so inflationär gebrauchten Begriff “Nachhaltigkeit”?


Materialauswahl für einen Wildling: an vieles muss gedacht werden: Funktion, Design und eben Nachhaltigkeit

In den vier Jahren seit Beginn unserer Produktion haben wir viel gelernt - auch durch Fehler. Aber was machen wir, um Fehler in Zukunft zu vermeiden und unseren Werten wirklich von der Auswahl des Rohmaterials bis zum Ende der Lebensdauer eines Wildlings treu zu bleiben?

Bevor eine Lieferkette nachhaltig sein kann, muss sie transparent sein

Nachhaltigkeit beginnt schon lange vor der Produktion (in unserem Falle in Portugal) bei der Rohstoffgewinnung und hört nicht mit dem Verlassen unserer Wildlinge in der Produktionsstätte auf. 

Dies ist eine große Herausforderung für uns, der wir uns stellen.

In der Produktion werden die von uns ausgesuchten Materialien zu einem Schuh gemacht, aber woher kommen diese Materialien? 

Wir möchten genau wissen, woher unsere Lieferanten ihre Rohware, die Baumwolle, Schurwolle, das Leinen, den Hanf oder das Papier bekommen und auch, welche Arbeitsbedingungen bei den Baumwollpflücker_innen, Weber_innen und den textilverarbeitenden Betrieben herrschen. Wir fragen nach, mit welchen Chemikalien dort gewaschen, gefärbt und mit welchen zusätzlichen Mitteln die Textilien behandelt werden.

Dafür müssen wir erst mal wissen, wer alles in der Lieferkette involviert ist: Transparenz vom Rohmaterial bis zum fertigen Produkt. Im Fashion Transparency Index 2019 wurden die 200 größten Modemarken im Hinblick auf Informationen über ihre Lieferkette untersucht. Nur eine Marke hat 2018 den Lieferanten des Rohmaterials angegeben. Ob den anderen Marken die Lieferanten nicht bekannt waren oder ob sie diese nur nicht nennen wollten, lässt sich aus dem Index nicht ableiten, aber es zeigt, wie schwer es ist, sowohl als Unternehmen, als auch als Konsument_in, völlige Transparenz zu bekommen.

Wie wir eine transparente und nachhaltige Lieferkette bekommen

Um für eine nachhaltige Lieferkette sorgen zu können, muss man sie also überhaupt erstmal abbilden können. Als Anna und Ran Wildling gründeten, waren zwei Fragen im Fokus: Woher bekommen wir Material in Bioqualität, und wo produzieren wir? Das Thema Nachhaltigkeit war  ausschlaggebend, aber die Gründer sahen auch schnell ein: Mit der Verwendung von Biobaumwolle ist es noch nicht getan …

Welche Punkte machen also für uns heute, bei Wildling, eine nachhaltige Lieferkette aus?

Die Definition nachhaltiger Lieferketten nach dem deutschen Global Compact Netzwerk lautet:

“Nachhaltigkeit in der Lieferkette“ ist das Management der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen und die Förderung guter Unternehmensführung über den gesamten Lebenszyklus von Produkten und Dienstleistungen.

Wie füllt man diese Definition mit Leben, wenn man ein Produkt hat, das aus vielen Bestandteilen besteht und durch die verschiedenen Designs auch nicht immer wieder aus den gleichen Materialien hergestellt wird? 

Bevor wir also sicherstellen können, dass unsere Lieferkette nachhaltig ist, müssen wir definieren, was wir wollen und erwarten, damit wir diese Anforderungen unseren Lieferanten klar kommunizieren können. 

Für uns haben wir die Definition des Global Compact Netzwerks ein bisschen angefüllt und folgendermaßen die Teilbereiche definiert.


Ökologisch: Wir schützen die Umwelt und übernehmen Verantwortung für den Planeten bei allen Aktivitäten entlang der Wildling Lieferkette 

Sozial: Wir übernehmen Verantwortung und leben einen fairen Umgang mit allen Beschäftigten entlang der Wildling Lieferkette 

Wirtschaftlich: Wir halten faire Geschäftspraktiken und -beziehungen mit allen beteiligten Unternehmen und Institutionen der Wildling Lieferkette.


Die ökologische Dimension lässt sich noch in viele weitere Teile untergliedern: Wie viel Energieverbrauch haben wir, wie viel CO2 stoßen wir aus, was machen wir mit dem Wasser, das zur Erzeugung des Produkts verwendet wird, welche Auswirkung hat unser Handeln auf die Biodiversität (Stichwort Baumwollmonokulturen), welche Chemikalien kommen zum Einsatz und so weiter.

Über den gesamten Lebenszyklus des Produkts bedeutet für uns: 

Wir übernehmen die Verantwortung für das eigene unternehmerische Handeln, genauso wie für die vor- und nachgelagerte Lieferkette.

Damit beginnt die Verantwortung bereits bei den Rohmaterialien und endet nicht bei der Zustellung der Schuhe bei den Kund_innen, sondern geht auch darüber hinaus, bis hin zur Entsorgung oder Wiederverwendung des Schuhs und / oder der verwendeten Materialien.


Über 15 Lieferketten für einen Wildling

Ein einzelner Wildling besteht, je nach Modell und Saison, aus ungefähr 15 verschiedenen Teilen: Obermaterial, Futter, Ösen, Senkel, Membran, Mikrofaser, Garne, Sohle, Kleber, Lasche, Einlage ... ein T-Shirt dagegen besteht aus dem Stoff, also zum Beispiel Baumwolle, und vielleicht noch Garn und dem Waschzettel. 

15 Teile heißt, dass wir von 15 Lieferanten Infos und Daten anfordern müssen, die wiederum ihre Lieferanten nach diesen Infos und Daten fragen müssen. Bei einer Vielzahl von Normen und Zertifikaten kann es schnell unübersichtlich werden. 

Wir fordern also Zertifikate an, fragen nach Arbeitsbedingungen, Verarbeitung der Materialien und überlegen gemeinsam, wo nötig, nach Alternativen. Wann immer es machbar ist, gehen wir in die Betriebe der Lieferanten und schauen uns alles genau an. Mit vielen arbeiten wir schon lange zusammen und haben ein vertrauensvolles Miteinander geschaffen. Bei regionalen Lieferanten, wie Nordwolle, können wir den gesamten Prozess von der Rohware (in dem Fall die Wolle der Schafe) bis zum fertigen Futter verfolgen. Im Idealfall machen wir das Gleiche auch bei allen anderen Rohwaren. 

Mehrere Garne aus unterschiedlichen Materialien bedeutet verschiedene Lieferketten

Je größer Wildling wird und je mehr Schuhe wir produzieren, desto besser wird auch unsere Verhandlungsposition bei den Lieferanten, die aber meistens auch bereit sind, uns geduldig alle Fragen zu beantworten und offen mit uns zusammen wirken wollen. So verstärken wir unseren Einfluss und nehmen unsere Verantwortung wahr und werden damit auch für weitere Lieferanten interessant, die sich bemühen wollen, auf nachhaltigere Produkte zurück zu greifen, sich die Zeit mit uns zu nehmen, um die nötigen Daten und Infos zu sammeln und sich, wie wir, immer weiter im Sinne der Nachhaltigkeit zu entwickeln und zu verbessern.

Weil eine nachhaltige Produktion und ein nachhaltiges Obermaterial nur der Anfang sind.


 

Titelbild: Lotta Löthgren

Einen kleinen Mitschnitt von unserer Teilnahme am Klimastreik am 20.09.2019 findet ihr auf unserem YouTube-Kanal.