Aktiv sein und sich engagieren: Rewild Portugal

Aktiv sein und sich engagieren: Rewild Portugal

Bizarr ragen die verkohlten Bäume in den Himmel. 

Einzeln oder in kleinen Gruppen sind sie Zeugen eines verheerenden Brandes. Eine Ziegenherde sucht sich ihren Weg am Hügel entlang, angefeuert von den Rufen des Ziegenhirten. Die Glöckchen der Tiere klingen bis zu uns herüber.

Die Portugiesin mit dem runden Gesicht kommt ruhig aber bestimmt auf uns zu, in ihren hohen Gummistiefeln macht sie große Schritte. “Was macht ihr hier, seid ihr die Grundbesitzer?” 

Wir stehen mit Kamera und Fotoapparat im Gelände und dokumentieren, was die Waldbrände der letzten Jahre hier, mitten in Portugal, angerichtet haben. Als die Frau, die sich als Maria Lucia Alves Madeira Ribeiro vorstellt, das hört, entspannt sich ihre Haltung. “Ich dachte, Sie wollten vielleicht eine Ziege klauen. Das passiert hier öfter vor Weihnachten.” 

Ihr Mann ist der Hirte der Ziegenherde, sie selber macht aus der Ziegenmilch Käse. Das Grundstück gehöre Brasilianern, erzählt sie uns. Die interessierten sich aber nicht für das, was hier geschehe.

2017 starben über 100 Menschen bei den Waldbränden in Portugal, viele verloren ihr gesamtes Hab und Gut. Auch Maria hat zusehen müssen, wie das Feuer ihre Ziegen verschlang. “Feuerbälle kamen aus dem Himmel. Von unseren 200 Ziegen verbrannten  über 50. Unsere Olivenbäume - alle verbrannt. Früher haben wir Olivenöl verkauft. Jetzt muss ich mein Öl im Supermarkt holen. Der Hof wurde vom Feuer vernichtet, ein Schwein, zwei Autos - alles weg. Das war ein riesiger Schicksalsschlag. Der Staat hat uns allein gelassen. Wir wollten nur ein wenig Geld von der Versicherung, um unser Haus wieder aufzubauen und Bäume anzupflanzen.” 

Portugal ist mehr als nur ein Produktionsstandort

Für Wildling ist Portugal mehr als nur der Produktionsstandort. Während der wenigen Jahre, in denen wir dort produzieren lassen, sind enge Verbindungen zu den Menschen vor Ort entstanden. Unser Lagerdachs Sascha tauscht sich mit Manuel, der in Portugal für die Kontakte zu den Fabriken, in denen Wildling produziert, zuständig ist und der die Produktion überwacht über die Liebe zu Fussballvereinen mit blau-weißen Vereinsfarben aus. Zu Weihnachten findet leckeres Pasteis de Nata (Vanilletörtchen) seinen Weg von Manuels Wohnort Felguereias, im Norden Portugals, nach Engelskirchen. 

Als damals die Nachricht von den Waldbränden in Deutschland eintraf, schickte Sascha sofort eine Nachricht an Manuel: “Geht es dir gut? Bist du in Sicherheit?” Manuel war in Sicherheit, die Brände wüteten weiter im Landesinneren. Aber fast jede_r in Portugal kennt jemanden, der durch die Waldbrände Verluste erlitt. 

Die Ursachen für die Waldbrände sind komplex

In Portugal brennt es oft in den heißen Sommer- und Herbstmonaten, bevor der Regen einsetzt. 2017 haben die Brände aber besonders viele Menschenleben gefordert und darum auch in Deutschland mediale Aufmerksamkeit erlangt. Staat, Feuerwehr und Bevölkerung weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Aber das hilft den Menschen vor Ort nicht. Die Ursachen für die Waldbrände sind vielfältig und komplex:

Anders als in Deutschland sind die Waldgebiete in Portugal zum großen Teil in privater Hand und damit außerhalb der direkten Kontrolle von Kommunen oder Staat. Viele Wälder sind Monokulturen aus Eukalyptusbäumen, die schnell wachsen und damit für rasche Ernten sorgen. Allerdings sind sie bei Bränden eine ungeheure Gefahr. Ihre ölige, ätherische Konsistenz wirkt wie ein Brandbeschleuniger.

Die  Feuerwehr wirkt bei den großen Bränden oft machtlos. Die engen, gewundenen Straßen im Landesinneren erschweren die Anfahrt, es gibt zu wenig Löschflugzeuge, trotz Unterstützung aus Spanien und Frankreich. Aber selbst wenn es  genug Flugzeuge gäbe, können sie nur bei guten Wetterbedingungen eingesetzt werden, bei starker Rauchentwicklung und heftigem Wind sind sie dagegen oft nutzlos. 

Rewild Portugal

Es gibt aber Menschen und Organisationen, die das nicht einfach hinnehmen wollen und die sich engagieren, um die von Waldbränden betroffenen Gebiete wieder aufzuforsten. 

Auch Wildling Shoes möchte hier unmittelbar aktiv werden. Für eine Aufforstung bedarf es vieler Freiwilliger und so machten sich letztes Wochenende einige Teammitglieder auf den Weg, um in den portugiesischen Bergen Bäume zu pflanzen. Organisiert wurde das Projekt durch einen Zusammenschluss von Wildlings Portugal mit Gone West UK.

Wildlings Portugal hat - auf den ersten Blick - nichts mit unseren Wildlingen zu tun. Als wir von dieser Gruppe hörten, dachten wir: Vielleicht gibt es ja noch mehr Gemeinsamkeiten als nur den Namen. Und so kamen wir mit dem Kollektiv in Kontakt, das sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Leute zurück in die ländlichen Regionen Zentralportugals zu bringen und die ursprüngliche Beschaffenheit von Natur und Landschaft wiederherzustellen. 

Lynn, unser Kontakt zu Wildlings, musste selber erleben, wie die Feuer wüteten und was sie anrichten können. Sie ist vor einigen Jahren aus den Niederlanden nach Portugal gezogen und hat ein Leben in der Großstadt gegen eines in der Natur in den Bergen von Portgual getauscht. In einem Buch sammelt sie ihr Wissen über die schönsten Orte und plädiert für ein Leben im Einklang mit den natürlichen Rhythmen. 

Gone West UK pflanzt Bäume rund um den Globus, organisiert die Setzlinge und hat zusammen mit Wildlings Portugal diese Baumpflanzaktion in der Serra da Estrela angeschoben. Wildling Shoes hat dafür 5000 Bäume gespendet - und packt beim Pflanzen selber mit an. Sieben Rudelmitglieder standen am letzten Wochenende, zusammen mit zwei Dutzend weiteren Freiwilligen aus Portugal und ganz Europa, Mitte Dezember bei dunkelgrauem Himmel an einem Abhang. Bepackt mit Spitzhacke, einem Sack voller Setzlinge und viel Vorfreude arbeiten wir uns durch’s Unterholz. Wir setzen Walnussbäume, Eichen, Kastanien und Birken in den schweren Boden.

“Gemeinsam in der Natur zu sein war einfach schön, die Atmosphäre war lustig und entspannt. Die Landschaft hat bei mir einen bleibenden, fast mystischen Eindruck hinterlassen,” sagt ein Rudelmitglied. Und auch für das Gemeinschaftsgefühl in unserem meist dezentral arbeitenden Team hat das Bäume pflanzen einen Beitrag geleistet:

“Es ist so schön, die eigenen Kolleg_innen mal live und ohne eine Internet Leitung dazwischen zu sehen. Kein Zeitdruck, draußen an der frischen Luft sein, sich bewegen und zusammen Bäume zu pflanzen, war wirklich schön und eine große Bereicherung.”

“Ich wusste vorher gar nicht, was für Schäden Eukalyptus anrichten kann. Ich hab selber einen Zuhause, hier in Deutschland ist das, besonders in der DIY-Szene, ein Trendgewächs. So sieht man zwei Seiten einer Medaille und der Perspektivwechsel war wirklich lehrreich”.

Es ist etwas Besonderes, wenn man selber einen Baum pflanzt, mit den eigenen Händen die Erde umgräbt, den noch zarten Setzling einsetzt und sich anschließend fragt, wann er wohl ausgewachsen sein wird. Wird er die kritische Anfangszeit überstehen und Wurzeln bilden? Oder wird der nächste Sturm ihn aus dem Boden reißen und alle Arbeit zunichte machen?

Ob wir so eine Aktion in dieser Form wiederholen wissen wir noch nicht. Die weite Anreise für einen so kurzen Zeitraum stand in keiner Relation zueinander. 

Aber die Verbindung zu Portugal und diesem Stückchen Erde wächst mit jedem Baum, den wir dort gepflanzt haben.

Run Wild,

Anna, Ran und Team Wildling