Achtsam wandern

Achtsam wandern

Wir werden oft gefragt, wo und wie Wildlinge getragen werden können … oder auch, wann nicht. Gerade in Situationen, in denen normalerweise auf spezielles Schuhwerk zurückgegriffen wird, stellt sich die Frage, ob dieses durch Minimalschuhe ersetzt werden kann, zum Beispiel beim Bergwandern und Trekking.
Schauen wir uns die derben und oft sehr schweren Schuhe, die dabei normalerweise zum Einsatz kommen, einmal an, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich viele Menschen fragen, ob sie nicht vielleicht von leichten und flexiblen Minimalschuhen abgelöst werden können. Aber ist das wirklich möglich?
Diese Frage ist eine großartige Gelegenheit, sich auf in die Berge zu machen und mit einigen Expert:innen zu sprechen, die sich genau dort zuhause fühlen.

Erster Halt: Italien! Hier lebt und arbeitet Wildling Freund und Wanderführer Davide. Ihm zufolge besteht sein Job hauptsächlich daraus „Menschen zu zeigen, wie sie sich den Bergen auf die sicherste Art und Weise stellen können und es selbst den unerfahrensten Wandernden zu ermöglichen, großartige Momente in abgelegenen Regionen der Alpen zu erleben - und zwar auf bewusste und ethische Weise“.
Unser zweiter Stop liegt in Bayern, wo Natalie und Caro leben. Sie beide sind Teil des Wildling Teams und sind, als Teil ihrer gesunden Work-Life-Balance, häufig in den Bergen zu finden, was ihnen eine Menge Bergwander-Erfahrung eingebracht hat.

Achtsamkeit ist das A und O

Reden wir mal Tacheles: Davide, findest du es sicher, in Minimalschuhen zu wandern?
Davide: „Beim Bergwandern ist ein Schuh mit Profil sehr wichtig, gleichzeitig aber auch sehr einschränkend. Ein starrer Schuh bietet zwar Schutz, fühlt sich in gewisser Weise aber auch an wie ein Gipsverband, unsere Bewegungen sind stark eingeschränkt, unsere Fähigkeiten können sich nicht voll entfalten. Daher ist es durchaus möglich, beim Trekking auf Minimalschuhe zurückzugreifen, solange man achtsam und vorsichtig unterwegs ist.“


Wildling Minimalschuhe wandern
Foto: The Global Wizards

Caro bestätigt diesen letzten Punkt: „Wandern und Trekking in Minimalschuhen ist nichts, was man einfach so ohne jegliche Übung machen kann. Ich habe festgestellt, dass ich mich, je geübter ich wurde, viel schneller auf steinigem oder unebenem Terrain bewegen konnte. Meine Augen scannen den Boden viel schneller als unerfahrene Wandernde und ich weiß genau, wohin ich meine Füße setzen muss. Das ist das Wichtigste beim Wandern in Minimalschuhen, denn die Wahrscheinlichkeit, sich einen Knöchel umzuknicken, zum Beispiel auf losen Felsen, ist viel höher als im flachen Gelände.“

Für Natalie spielt das Gelände eine sehr große Rolle, denn für die Art und Weise wie wir unsere Füße benutzen, macht es einen Unterschied, ob wir auf den Wanderwegen bleiben oder abseits der ausgetretenen Pfade in felsigem Gelände klettern gehen. Sie und ihre Kinder sind alles andere als Neulinge, wenn es darum geht, in Wildlingen die Wanderpfade zu erkunden, aber wenn es ums Klettern geht, setzen sie auf feste Schuhe. Herkömmliche Wanderschuhe sind allerdings sehr schwer und sorgen schneller für müde Beine als so ein leichter Minimalschuh. Deshalb nimmt Natalie auch gerne Wildlinge zur Erholung am Ende eines langen Wandertages mit, denn die Füße können sich vom Klettern und dem Tragen eines schweren und unflexiblen Schuhs ganz schön überanstrengt und müde anfühlen.

Minimalschuh-Training

Alle drei unserer Bergexpert:innen sind sich einig, dass es durchaus eine tolle Erfahrung ist, mit Minimalschuhen in die Berge zu gehen; allerdings gibt es dabei ein paar Dinge zu beachten. Während Trekkingschuhe die Knöchel und die gesamte Struktur des Fußes stützen, überlassen Minimalschuhe diese Aufgabe natürlicherweise den Muskeln der Füße. Wenn diese Muskeln noch nicht voll entwickelt sind oder durch das Tragen konventioneller Schuhe die meiste Zeit eingeengt wurden, sind sie möglicherweise nicht in der Lage, den Körper beim Bergabgehen oder auf unebenem oder felsigem Gelände zu unterstützen. Dann kann es ratsam sein, auf spezielle Wanderschuhe auszuweichen.

Nun mag man sich fragen, wie man mit Minimalschuhen in den Bergen trainieren kann, wenn doch geraten wird, die untrainierten Füße durch normale Wanderschuhe zu stützen. Nun, in gewisser Weise ist es eine glückliche Fügung, dass Wildlinge so leicht sind und somit ganz einfach auf die Wanderung mitgenommen werden können. So können sie auf Teilen der Wege, die machbar erscheinen, zum Einsatz kommen und dann, wenn es wieder an felsige Abschnitte oder den Abstieg geht, gegen Schuhe ausgetauscht werden, die mehr Halt bieten.


Wildling Minimalschuhe Mindful Hiking
Foto: @mateja.kordic (Instagram)

„Und als Bonus“, fügt Caro hinzu, „kann das Wandern in Minimalschuhen auch gut für die Gesundheit sein. Ich hatte mit Knieproblemen zu kämpfen, bevor ich anfing, in Minimalschuhen zu wandern, und seit ich die üblichen Wanderschuhen ausgezogen habe (und ein paar Wanderstöcke mitgenommen habe), schränken mich diese Probleme nicht mehr ein!“
Das ist doch mal ein Erfahrungsbericht, der dazu motivieren könnte, beim nächsten Wanderausflug ein paar Minimalschuhe mitzunehmen und auszuprobieren, oder?

Wieder mehr spüren

Aber wie sieht es mit dem fehlenden Profil bei Minimalschuhen aus, rutscht man da nicht weg? Natalie hat die Erfahrung gemacht, dass, wenn man es gewohnt ist, in Minimalschuhen zu wandern, die Füße selbst daran arbeiten, den Halt und das Gleichgewicht zu halten und das kann genauso gut funktionieren wie das Tragen von schweren Stiefeln mit dickem Profil. Allerdings ist auch das etwas, das trainiert werden muss und nicht von Anfang an als gegeben vorausgesetzt werden sollte. Eine interessante Beobachtung hat sie dazu auch gemacht: „Lustigerweise haben meine Kinder das viel schneller gelernt als ich, als sie mit ihren Minimalschuhen in die Berge gestiefelt sind. Es ist fast so, als wäre es für sie einfach selbstverständlich geworden.“

„Wandern und Trekking mit Minimalschuhen ist nicht unbedingt mit Einschränkungen verbunden, sondern viel eher mit Chancen“, sagt Davide und Caro stimmt ihm voll zu. Wir haben die Möglichkeit, unseren Körper zu trainieren, unsere Schritte leichter zu setzen, uns des Bodens, auf dem wir gehen, bewusster zu werden und besser auf unseren Körper zu hören, was Gleichgewicht und Belastung angeht. Schließlich geht es beim Wandern nicht nur um die Füße, sondern um den ganzen Körper und wie sich seine einzelnen Teile als Einheit bewegen, um ein Erlebnis für Körper und Geist zu schaffen.

 

Titelfoto: Caroline Filger