In die Schuhe einer anderen Person schlüpfen, ein paar Schritte des Weges zusammen gehen – die Interview-Reihe „A Walk in my Shoes” möchte Raum für Begegnungen schaffen. Im Gespräch können wir Denkmuster aufbrechen und gemeinsam weiterdenken. Ein Beitrag zu einem regenerativen Miteinander.
Sein zu dürfen, wie man ist, füreinander einstehen, zusammen auch mal laut sein – warum das für ihn essentiell ist und welche Themen ihm darüber hinaus noch am Herzen liegen, erzählt Schauspieler Brix Schaumburg, Moderator der neuen Reihe, im Interview.
Bewegende Gespräche
Wenn wir uns Augenhöhe begegnen, Erfahrungen teilen und Perspektiven wechseln, kann ein neues Miteinander entstehen. Wie mit Brix und unseren Gästinnen bei „A Walk in My Shoes“: Anne Menden, Britta Kiwit und Thelma Buabeng.
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Hallo Brix, stell dich doch einmal kurz vor.
Hi. Ich bin Brix Schaumburg. Ich bin 33 Jahre alt. Ich bin Schauspieler und setze mich sehr gerne für Diversität ein. Und darunter fallen natürlich auch nachhaltige Themen.
"A Walk in my Shoes" geht los. Worauf freust du dich am meisten?
Ich möchte gerne mit “A Walk in my Shoes” und euch den Perspektivwechsel wagen und mir die Geschichten der Gäste anhören und dazulernen. In allererster Linie freue ich mich sehr darüber, dass uns eine Plattform geboten wird, um unbequem, offen und ehrlich zu reden über Themen, die uns allen mega wichtig sind. Und darüber, dass wir zueinander gefunden haben und dabei frei durch diese unfassbar schöne Kulisse laufen dürfen.
Was ist essenziell für dich?
Zu lieben und sein zu dürfen, so wie ich bin. Das wünsche ich mir für alle Menschen auf dieser Welt. Und auch da glaube ich, dass es sehr essentiell ist, dass man zusammen laut ist, dass man sich zusammentut, füreinander einsteht.
Wie haben wir uns gleich nochmal kennengelernt?
Das fängt schon mit einem Wort an: Ich wollte immer wild sein. Bin ich auch heute noch. Aber ich mag einfach dieses Wortspiel. Damit fing es an. Ihr hattet mich mit dem Namen, dann mit dem Look und dann habe ich euch alle kennengelernt. Und dann bin ich geblieben. Und es fühlt sich einfach gut an. Ich fühle mich sehr wohl.
Foto: Nora Tabel | Wildling Shoes
Früher musstest du dich oft rechtfertigen, dass du trans bist. Was hat sich geändert?
Früher habe ich mich gerechtfertigt, weil ich mich gefühlt habe, als müsste ich das. Ich glaube, heute rechtfertige ich mich mehr so, sondern ich entscheide, mich hinzustellen, laut und sichtbar zu sein, weil ich weiß, wer ich bin und mich das heute traue. Aber ich glaube, das dürfen wir nicht von allen Menschen erwarten. Und das ist ganz wichtig. Deswegen mache ich es.
"A Walk in one's shoes" meint Perspektivwechsel. Kannst du dich an eine für dich prägende Situation erinnern?
Also, wenn wir jetzt mein Leben als den Walk sehen, würde ich sagen, dass ich ungefähr ab der Hälfte, als ich wusste, wer ich bin, mit meiner Transition begonnen habe und heute Brix sein darf, so, wie ihr mich gerade seht.
Die Privilegien, die ich als weißer Mann zugeworfen bekomme, die überfordern mich oft. Und das ist der größte Perspektivwechsel, den ich lebe.
Brix Schaumburg im Gespräch mit Thelma Buabeng. Foto: Nora Tabel | Wildling Shoes
Unsere Gäst:innen bringen ihre eigenen Themen mit. Worüber möchtest du sprechen?
Mir persönlich ist das Aufbrechen des binären Konstrukts super wichtig. Einfach, weil ich vielleicht alle Seiten davon gelebt habe. Wenn wir uns wirklich mal darauf einlassen und wieder daran erinnern, wie wir als Kinder waren, haben wir in diesen Konstrukten gelebt, oder haben wir einfach gemacht?
Ich glaube, wir sollten wieder ein bisschen mehr die Welt sehen, wie Kinder sie sehen und uns trauen. Angefangen bei Kleidung. Weg vom binären Denken. Es gibt nicht die eine Form, die eine Farbe. Wir tanzen so drumherum und mittendrin. Ich glaube, das müssen wir uns auch einfach trauen.
Wir führen "bewegende Gespräche". Was macht ein gutes Gespräch für dich aus?
Mut zu guten Gesprächen. Das darf unbequem sein, es darf zu Diskussionen kommen, aber man sollte respektieren und akzeptieren, dass der Mensch, der mit einem läuft, vielleicht auch mal eine andere Meinung hat.
Brix Schaumburg im Gespräch mit Britta Kiwit. Foto: Nora Tabel | Wildling Shoes
Warum ist Aufklärung für einen guten Dialog auf Augenhöhe unverzichtbar?
Am wichtigsten ist mir, dass wir Menschen uns als die akzeptieren sollten, die wir sind. Wir sind divers, vielfältig, bunt, alle anders und alle wunderschön, so wie wir sind. Wenn das gesehen und akzeptiert wird, dann hätten wir echt keine Probleme mehr. Wir sind aber noch einige Meter weit davon entfernt.
Nur Nichtwissen führt zu Hass und deswegen ist Aufklärung unfassbar wichtig. Was wir wissen, können wir benennen und haben vielleicht keine Angst mehr davor. Und wir müssen auch akzeptieren, dass Nichtwissen vollkommen okay ist. Was wir heute noch nicht wissen, können wir einfach noch dazulernen. Wir sollten dafür offen sein, uns auch mal in unser Gegenüber reinversetzen und akzeptieren, dass wir noch dazulernen können.
Wir müssen offen sein, neu und weiter dazuzulernen, weil: Die Welt ist schnell. Sie dreht sich unfassbar schnell. Genauso ist es mit Labeln, Begrifflichkeiten, kleinen Dingen, die sich ändern. Veränderung ist manchmal unbequem – und genau deswegen muss sie stattfinden.
Doch der Dialog reicht für dich dennoch nicht immer aus. Warum bist du zusätzlich aktiv?
Weil ich heute weiß, dass ich das damals alles gebraucht hätte: Einen Verein, einen Stammtisch, einfach die Community, die ich heute habe. Aber es ist nie zu spät. Ich darf all das auch mit 33 noch leben und haben. Und das tut verdammt gut. Zusammen mit mehreren etwas zu kreieren, vielleicht auch Aufklärung in Schulen oder eben ein bisschen unbequem zu sein, das ist gut.
Brix Schaumburg im Gespräch mit Anne Menden. Foto: Nora Tabel | Wildling Shoes
Wie kann man deinen Aktivismus für Akzeptanz am besten unterstützen?
Zusammenhalten. Mein Lieblingssatz ist: Nur zusammen sind wir lauter. Ich traue mich, sichtbar und laut zu sein. Das erwarte ich aber um Gottes Willen nicht von allen anderen Menschen, sondern jede:r muss für sich entscheiden, was tragbar ist. Aber es ist oft einfacher, wenn man nicht alleine ist.
Was bedeutet Re:generation für dich? Wobei kannst du am besten regenerieren?
Ich glaube, was mir immer noch sehr schwer fällt, ist Stille auszuhalten. Dabei ist sie etwas, das mich “resettet”. Und der Wald, spazieren gehen mit meinen Hunden, das ist das, was ich am allerliebsten mache. Oder auch einfach mal Duplo spielen mit meinem Kind. Das ist genauso gut.
Mit Wildlingen im Wald – was ist das Beste daran?
Ich fühle mich frei. Ich spüre mich, ich spüre den Boden. Ich bin sehr geerdet. Und ich laufe dabei durch einen wunderschönen Wald. Ich versuche mich oben zu connecten und unten ihn auch noch zu spüren. Das ist ein sehr schönes Gefühl.
Titelbild: Nora Tabel | Wildling Shoes